Nach einem Jahr Auszeit aufgrund von Corona-Ellenbogen-Ahrtal Zwangspause ist es in diesem Jahr wieder soweit gewesen: Die dritte Superrandonée zusammen mit Rainer stand für Anfang August auf meinem Terminkalender. In diesem Jahr fiel unsere Wahl auf die SR Rheingold vom ARA Niederrhein mit Start in Koblenz. Nähere Infos bekommt man im Rennrad-Forum direkt vom Organisator Felix, der die Strecke wie folgt beschreibt:

Rheingold” heißt die neue Superrandonnée im Westen Deutschlands, veranstaltet unter dem Dach von ARA Niederrhein. Sie führt vom Deutschen Eck in Koblenz durch die drei Mittelgebirge Taunus, Hunsrück und Eifel. Auf kleinen Wegen und Straßen werden die schönsten Landschaften und Sehenswürdigkeiten miteinander verbunden: zahllose Burgen, Weinhänge entlang der Flüsse, dünn besiedeltes Hinterland, und natürlich die höchsten Berge. Der Große Feldberg, der Erbeskopf, die Hohe Acht, dazu die Moselschleife bei Trittenheim, Vulkankegel, das Radioteleskop Effelsberg, Burg Eltz und die Loreley zählen zu den Highlights der Strecke. Ziel ist am Gedeonseck bei Boppard, wo man hoch über der Bopparder Hamm die Runde Revue passieren lassen kann.

Rennrad Forum

Anreise

Nachdem klar war, dass wir in diesem Jahr nicht mit dem Auto sondern stattdessen mit der Bahn zum Start anreisen, ging das Buchen der Züge los. Von Hamburg aus war früh um 5 Uhr noch eine gute Verbindung inklusive Fahrradstellplatz und preislich im bezahlbaren Bereich zu bekommen, so dass Rainer sich dazu entschied, am Freitag von Berlin nach Hamburg anzureisen, eine Nacht auf meinem Sofa zu verbringen und dann zusammen am Samstag zum Hauptbahnhof zu starten. Die Vorteile lagen dabei klar auf der Hand, wir hatten einen schönen Abend mit Bier, Radler und angenehmen Gesprächen, konnten zeitig ins Bett gehen und so entspannt wie es um 4 Uhr morgens geht, die ersten 20 Kilometer bis zum Bahnhof zurücklegen. Die Bahnfahrt war dann bis auf eine kleine Verzögerung herrlich unaufgeregt, Rainer hörte Podcasts oder las viel, während ich die meiste Zeit Musik hörte und die Augen zu machte. In Koblenz dann der Check ob die Schließfächer für die nächsten 3 Tage funktionieren würden, und dann schnell ins Hotel etwa 9 Kilometer vor Koblenz direkt am Rhein gelegen. Am Nachmittag dann noch einen langen Spaziergang zum nächsten Supermarkt (etwa 6 Kilometer), der mir ordentlich Muskelkater in den Waden bescherte, einen Flammkuchen im Hotel, Brötchen für den nächsten Tag geschmiert und ab ins Bett. Im Gegensatz zu den vorherigen Ausgaben war aufgrund der angesagten Temperaturen der Start auf 7 Uhr vorgezogen worden, so dass wir uns versprachen wenigstens die ersten Kilometer im angenehmen Bereich zu erleben. Pünktlich um 20 Uhr war dann auch Licht aus und das bekannte, diesmal aber gut erträgliche, Schnarchkonzert begann.

Start

Pünktlich um 6 klingelt der Wecker, anziehen, Sachen packen, Rad aus dem Frühstücksraum holen und ab. Diesmal nicht auf dem zwar schönen, aber äußerst kaputten Rheinradweg, sondern auf der Bundesstraße Richtung Start. Unterwegs geben wir schnell den Rucksack mit den Alltagsklamotten in ein Schließfach am Hauptbahnhof ab und sind rechtzeitig zum anvisierten Start um 7 Uhr am Deutschen Eck.

Deutsches Eck in Koblenz

Ab jetzt gilt es, die vorgegebenen 600 Kilometer und etwas über 10.000 Höhenmeter in den nächsten 60 Stunden zu absolvieren. Als Beweis dieses Unterfangens sind an den festgelegten Kontrollstellen Fotos mit dem eigenen Rad zu schießen, insgesamt 17 an der Zahl. Dieses Jahr ist unser Plan einfach gehalten: Ruhig fahren, die Zeit genießen, jeden Abend eine feste Unterkunft für ein paar Stunden und die 60 Stunden möglichst gut ausnutzen.

Tag 1

Vom Start weg geht es über die Pfaffendorfer Brücke über den Rhein, um beim Verlassen von Koblenz ins Mühltal und damit in den Westerwald, das erste von den vier zu durchfahrenden Mittelgebirgen, einzutauchen. Direkt von Anfang an stehen vor allem kleine bis sehr kleine, wenig befahrene Straßen auf dem Plan, die mir persönlich außerordentlich gut gefallen. Obwohl sich die Steigungsprozente auf dem ersten Abschnitt bis zur Kontrolle am Wanderparkplatz in Arzbach noch zurückhalten, sammeln wir schon einige Höhenmeter zusammen. Noch ist es sehr angenehm, auch wenn uns die Sonne schon seit dem Start ins Gesicht lacht. Immer wieder begegnen wir Hinweisschildern zum Limes, der ehemaligen römischen Grenzanlage, deren Verlauf wir für einige Kilometer folgen.

Nach 40 Kilometern, auf dem Weg zum zweiten Kontrollpunkt in Katzenelnbogen (Unaussprechlich!!), mit inzwischen schon 800 absolvierten Höhenmetern, biegen wir auf die kurze, aber sehr hübsche Abfahrt ins Lahntal ein und beenden den Abschnitt durch den Westerwald. Von oben bietet sich ein toller Blick auf die letzten Weinanbaugebiete an der Lahn, die einen kleinen Vorgeschmack auf die nächsten Tage, und vor allem auf die Zeit an der Mosel, ermöglichen. Allerdings ist auch die anspruchsvolle, sich direkt aus dem Tal windende Straße auf den gegenüberliegenden Hängen nicht zu übersehen, die allerdings zu unserem Glück noch im Schatten liegt. Wir befinden uns jetzt im zweiten Mittelgebirge, dem Taunus.

Die weiteren Kilometer bis zur Kontrolle sind vor allem durch starke Sonneneinstrahlung gemischt mit ruhigen, wenig steilen Straßen geprägt, so dass wir ohne Probleme Katzenelnbogen erreichen. Der Ort macht seinem Namen alle Ehre, Rainer wird sofort von einer süßen kleinen Vierbeinerin begrüßt, die ihre sonntäglichen Streicheleinheiten einfordert. Nach einer kleinen Verpflegungspause machen wir uns auf den höchsten Punkt der ganzen Tour zu erklimmen, denn der nächste Kontrollpunkt befindet sich oben auf dem Großen Feldberg, dem höchsten Berg des Taunus. Bis dahin sind 40 Kilometer zu absolvieren, und die Hitze drückt nun schon beträchtlich.

In einem kleinen Ort erspähen wir einen Italiener, eine der wenigen offenen Verpflegungsstellen an einem Sonntag wie diesem. Ich entscheide mich für die traditionell gewordene Portion Eis, Rainer für eine ganze Pizza und ein gekühltes Bier. Wie er das auf unseren (und auch seinen ) Touren immer macht weiß ich nicht, nach einem Bier würde ich heute höchstens noch bis zum nächsten Baggersee kommen. Aber die Pause hilft um neue Kräfte zu sammeln und die letzten Kilometer bis zur Kontrolle etwas entspannter anzugehen. Zudem sind auch die Flaschen wieder mit kühlem Wasser gefüllt, was einigermaßen beruhigend auf mich wirkt. 15 Kilometer vor dem Großen Feldberg entscheiden wir, dass ich bis dorthin vorfahre und mich oben schonmal um eine Unterkunft für die Nacht kümmere, damit Rainer seinen Rhythmus und ich meinen fahren kann.

Kontrolle Großer Feldberg

Die letzten Kilometer sind naturgemäß etwas stärker mit motorisierten Verkehrsteilnehmern frequentiert, heute allerdings gut fahrbar und keineswegs unangenehm. Ich hänge mich aus Spaß noch kurz an einen überholenden Rennradfahrer, der mich nach einiger Zeit und einem kurzen Blick nach hinten dann aber abschüttelt. Oben angekommen bin ich schweißnass, aber ganz glücklich mit dem bisherigen Tourverlauf. Nur die Planung der Übernachtung gestaltet sich als nicht so einfach, da wir bis in den frühen Nachmittag gerade einmal 97 Kilometer geschafft habe, und mindestens 200 Kilometer am ersten Tag schaffen müssen um irgendwie im Zeitlimit zu bleiben. Bei kurzer Hochrechnung wird klar, dass wir sehr spät ankommen werden, also ein Hotel oder eine Unterkunft mit entsprechender Rezeption infrage kommt. Am Ende bleibt das NH Bingen übrig, welches nach telefonischer Auskunft zur Not die ganze Nacht ein einchecken ermöglicht. Als die Buchung durch ist fährt Rainer auch schon ein, macht sein Foto und füllt unsere Flaschen auf, gutes Teamwork. Auf dem nächsten Abschnitt geht es über einige Kilometer nur bergab, meistens auf schönen, gut asphaltierten Straßen. Einzig zwei lebende Organspender (ein überaus unangenehmer, schlechter Begriff) halten es für eine tolle Idee uns mit über 200 km/h und einem nicht nennenswerten Seitenabstand bergab überholen zu müssen. Danach geht mir ordentlich die Pumpe, die sich aber durch den weiteren, entspannten Verlauf wieder beruhigt. In Niedernhausen halten wir noch ein weiteres Mal zum Eis essen an, bei dem ich mich durch zwei Wespen bedingt ordentlich bekleckere und die nächsten zwei Tage mit einer fleckigen Shorts rumlaufen muss. Vor allem bei den diversen Einkäufen und dem später am Abend folgenden Check-In ist das doch eher unangenehm. Gestärkt nehmen wir die nächsten Kilometer bis zur Kontrolle am Feuerwehrmuseum in Fischbach bei Kilometer 157 auf uns. Unterwegs erreicht mich von Carola die Nachricht, dass sie bei LEL einen schweren Unfall direkt vor sich erlebt hat und dort mit anderen Ersthelfern dem Verletzten geholfen hat. Zum zweiten Mal an diesem Tag geht der Puls stark nach oben, bin ich doch in Gedanken sowieso häufig in Großbritannien und der Riesenaufgabe, die vor den dortigen Startern und vor allem vor Carola liegt. Am Ende stellt sich heraus, dass der Kollege nicht in Lebensgefahr schwebt und Carola bis auf einen verständlichen Schock weitermachen kann.

Da das Museum und somit auch die Kontrolle im Tal liegt, müssen wir auf der anderen Seite direkt wieder steil hinauf. Vorher fragt Rainer eine sympathisch aussehende Frau nach Wasser, und wird direkt in ein Verkaufsgespräch für isotonische Zusätze verwickelt, dass wir nur mit dem Hinweis auf die späte Tageszeit und die restlichen Kilometer abwürgen können. Sie bekommt dennoch ein Lächeln und ein Danke für das Wasser! Sowieso sind auf den drei Tagen die Bewohner der durchfahrenen Gebiete immer bereit, unsere Flaschen mal hier und mal dort aufzufüllen, so dass wir nie einem Mangel unterliegen. Auf der anderen Seite angekommen geht es die nächsten 20 Kilometer durchs wunderbare Wispertal bergab, immer im Schatten der Hügel um uns herum. Bis ins Hotel nach Bingen sind heute nur noch wenige schwierige Abschnitte zu überwinden, der letzte Große ist Presberg. Am Fuße des Anstiegs entscheiden wir erneut, das ich vorfahre und uns schon einmal ins Hotelzimmer einchecken soll, und Rainer in seinem Tempo entspannt nachkommt. So genieße ich die abendlichen Sonnenstrahlen, mache das Kontrollfoto am Weißenthurm und auch das letzte Foto des Tages in Assmanshausen am Zwei-Burgen-Blick. Über einen kleinen Wirtschaftsweg geht es mitten durch die Weinberge dem Rhein entgegen, dem die letzten flachen Kilometer des Tages auf dem Rheinradweg bis Bingen folgen.

Deutlich besser als noch am Großen Feldberg geschätzt komme ich nach 13 Stunden und 50 Minuten um 21 Uhr bei Kilometer 207 in Bingen im Hotel an. Verstaubt und verschwitzt stehe ich in einer mit Marmorboden eingerichteten Empfangshalle und komme mir so unpassend vor wie es nur geht. Der junge Rezeptionist ist jedoch voll auf der Höhe, supernett und hebt die Stimmung gewaltig. Das Fahrrad darf neben die Rezeption in den Frühstücksraum, da der eigentlich vorhandene Keller gerade renoviert wird. Rainer darf sein Rad später sogar mit aufs Zimmer nehmen! Und das obwohl in den Gängen überall Teppich liegt. Ich kann das Hotel auf jeden Fall vollstens weiterempfehlen. Ich schnappe mir meine Schlafsachen aus dem Gepäckträger, Elektronik und Zahnbürste dazu und ab gehts aufs Zimmer. Hier folgt die zweite Überraschung: Es gibt Shampoo, Duschbad sowie Conditioner in der Dusche, und ich glaube so gut haben meine inzwischen doch sehr langen Haare noch nie auf einem Brevet ausgesehen :)) Eine gute Stunde später kommt Rainer, der noch Abendbrot in Bingen gegessen hat, an und freut sich das alles so gut geklappt hat. Nach kurzem Plausch gehen wir schnell schlafen, gegen 3.30 Uhr wollen wir den nächsten Abschnitt beginnen.

Luxus pur!