Pino auf Fyns Hoved

Allgemeines

Ein ganz besonderes Rad, das eigentlich nicht mir, sondern Carola gehört, ist das Pino von der Spezialradschmiede Hase-Bikes in Waltrop. Ein Fahrrad der Kategorie Stufentandem, bei welcher der Stoker vorne wie auf einem Liegefahrrad und der Captain hinten in der bekannten, aufrechten Position sitzt.

Nach reiflich Überlegung und stundenlanger Probefahrt, möglich gemacht durch Hamburgs Lastenrad – und Tandemexperten „Velo 54“, stand 2020 die Entscheidung fest: Für zukünftige Reisen und entspannte Touren mit viel Gepäck sollte es ein Pino werden. Aber als Fahrradnerds natürlich nicht irgendein Pino, sondern eines von der Sorte der nur vor 2010 erhältlichen und schon lange nicht mehr produzierten Titanversion. Warum Titan eine so große, ja fast mystische Anziehungskraft auf Randonneure ausübt, ist wie immer einer Mischung aus Fakten und Fiktion zu verdanken. Auf der Hand liegende Vorteile sind jedoch das unheimlich widerstandsfähige Äußere, das ohne anfälligen Lack und überaus kratzerresistent daherkommt, wenig sturzanfällig ist und dabei dennoch leichtere Rahmen als Stahl ermöglicht. Als Reiseradersatz somit durchaus geeignet.

Nun hatten wir uns also in ein Hase Pino Titan verguckt, die es allerdings kaum noch gibt. Wie das Schicksal manchmal so spielt schlägt einige Tage später die Ebay-Kleinanzeigen suche aus und meldet: Titan-Pino in Neumünster! Neumünster? Gerade einmal eine Stunde mit der Bahn, direkte Verbindung? Innerhalb von wenigen Minuten kontaktieren wir den Verkäufer, machen eine Probefahrt aus und der Kaufvorgang nimmt seinen Lauf. Beim zweiten Besuch in Neumünster wird Geld gegen Ware getauscht, und wir können das Pino mitnehmen. An dem Tag durch Krankheit und vor allem durch den starken Sturm, der einige Stunden nach uns den Zugverkehr lahmlegen soll, wird das Pino noch im Fahrradabteil der Nordbahn in Richtung Hamburg transportiert. Seit diesem Tag haben wir, wenn auch nicht die geplante „Sabbatjahr-Reise“, dennoch viele schöne, lange und kürzere Touren gemacht.

Technische Daten

Wie oben erwähnt hat unser Pino einen (in 2017 ausgetauschten) Titanrahmen. Besonders ist die Tatsache, das wir zwei Gabeln haben, eine Starr- und eine Federgabel. Die Starrgabel darf lt. Hase jedoch nicht mehr genutzt werden, da die auftretenden Kräfte auf den Rahmen zu groß sind und es, egal in welcher Version, zu Rissen kommen kann. Also ist die Spinner Grind Federgabel vorn eingebaut und tut seit dem Kauf unauffällig ihren Dienst.

Vorne ist ein 20 Zoll Laufrad mit SON Nabendynamo und USB-Charger verbaut, damit auf langen Reisen mit Zelt dennoch die erforderlichen Stromreserven vorhanden sind. Eine komplette Lichtausstattung von Busch und Müller rundet die elektronische Seite ab. Dazu kommen jeweils für den Captain sowie den Stoker eine separate Garminhalterung, damit auch jeder die gefahrenen Kilometer im Blick behalten kann. Hinten ist das Highlight eines jeden Reiseradlers verbaut, in der 26 Zoll Felge sitzt eine Rohloff-Speedhub. 14 Gänge, nahezu unzerstörbar und wartungsarm. Ein weiterer Vorteil: Hat man vor der roten Ampel mal vergessen zu schalten, kann man mit der Rohloff auch im Stand noch einen leichten Gang einlegen, bei teilweise über 200 Kilogramm Systemgewicht nicht unerheblich.

„Halbes“ Gepäck auf der Dänemarkreise 2022

Der Stoker hat, im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Tandems, einen Freilauf und kann so auf Abfahrten oder schwierigen Abschnitten auch entspannen. Andersrum funktioniert das natürlich nicht.

Um das für längere Reisen erforderliche Gepäck unterzubringen, ist hinten ein normaler Gepäckträger angebracht, der klassisch zwei Ortliebtaschen sowie eine „Obenauf-Tasche“ aufnimmt. Zusätzlich ist unter dem Stokersitz der von Hase entwickelte Ständer + Gepäckträger angebracht, der noch einmal 2 Ortliebtaschen pro Seite, insgesamt also 4 Taschen, aufnehmen kann. Mit einer Gepäckkapazität von 6 Ortliebtaschen plus zwei kleineren Taschen sind für uns auch große Reisen möglich.

Besonderheiten

Warum haben wir uns als Rennrad- und Gravelbikebesitzer überhaupt für ein so exotisches Gefährt und nicht für ein normales Tandem entschieden? Vor allem die Nähe zueinander hat eine große Rolle gespielt, die Köpfe sind sich beim Pino so nah, dass man schonmal für angestrengtes Schnaufen am Berg seltsam angeschaut wird. Zudem haben beide Fahrer einen ungestörten Blick auf die vorbeiziehende Landschaft, und müssen nicht auf den Rücken des anderen starren. Ein weiterer Punkt ist die Lastverteilung am Rad, so dass auch der leichtere Captain (Ich 🙂 ) die komplette Fuhre unter vollem Gepäck ohne Probleme anhalten, wenden und schieben kann, ohne das Carola absteigen muss.

Ein weiterer Vorteil bei langen Strecken ist die theoretische Möglichkeit, bei gleicher Körpergröße die Plätze unterwegs zu tauschen. Anfangs klappte das auch ganz gut, in der Zwischenzeit ist meine Zeit auf dem Sattel und Carolas auf dem Liegesitz zu 99 % fest geworden. Da ich allerdings sowieso lieber Captain bin und navigiere passt das ganz gut, der Hintern gewöhnt sich dran.

Am Anfang haben wir auch gedacht, dass kürzere Brevets eventuell mit dem Pino, ohne Gepäck und mit leichter Ausrüstung, möglich sind. Allerdings ist das Pino im Gegensatz zu Aufrechttandems offensichtlich im Nachteil, da man nicht im Windschatten des Partners sitzt, so dass die Geschwindigkeit aufgrund des Gewichts, der dickeren Reifen und der Antriebsverluste nicht an die Durchschnittsgeschwindigkeit eines guten Randonneurs herankommt. Auf unseren Touren hat sich ohne Gepäck eine Geschwindigkeit von etwas über 20 km/h als Reisegeschwindigkeit herauskristallisiert, was auf einer Distanz von 200 Kilometer nicht viele Reserven für Pannen / Pausen aufs Zeitlimit lässt. Je bergiger die Strecke wird, desto schneller sinkt die erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit. Als Reiserad sind wir unter voller Beladung jedoch deutlich schneller als die meisten anderen Reisenden, was uns völlig ausreicht. Mehrere Tage von Touren mit deutlich über 150 Kilometer am Tag sind so mit unserer Erfahrung gut zu machen.

Pino in natürlicher Umgebung: Dem Fernradweg