Hier also wieder ein paar Worte zu den Brevets im PBP Jahr, wie versprochen.

Vorwort: Eigentlich war der Plan für diese Brevetsaison wieder parallel die beiden Brevetserien in Berlin und Sachsen zu fahren, allerdings scheiterte dieser schon daran dass ich beim 300er in Sachsen nicht angetreten bin und eine private 300er Tour vorgezogen hatte (siehe Brocken-Overnighter). Da kam mir die Einladung von Carola, doch beim 400er Brevet in Hamburg mitzufahren, ganz recht. Da sich kürzere Brevets durch längere ersetzen lassen waren damit noch zwei vollständige Serien möglich, ein Gedanke der mir (als kleine Spinnerei) gefiel. Außerdem fand ich es gut so viel wie möglich auf der Langstrecke zu trainieren, um für die längeren Brevets dann perfekt vorbereitet zu sein und alle Umstände mal erlebt zu haben. Und zu zweit fahren hat ja auch was. So kommt es dass ich nicht nur am 11.05 in Sachsen und am 25.05 in Berlin gemeldet bin und war, sondern auf einmal auch am 04.05. in Hamburg.

ARA Hamburg 400er Brevet:

Nachdem die bisherige „Saison“ überaus erfolgreich verlief, so viele Trainingskilometer wie noch nie zu Buche standen und vor allem die Qualität der Touren richtig gut war, freute ich mich auf den Hamburger Brevet. Anders als bei den sonstigen Touren in Berlin und Sachsen kaum bekannte Gesichter (eigentlich nur Carola und Lars), neue Strecken, und Wetter sagt man dem Norden ja sowieso immer nach (berechtigterweise!). Und nachdem wir uns in der Woche schon einmal beim „Sheltern in den Mai“ mit 300 Kilometern aufgewärmt hatten, standen die Vorzeichen sehr gut.

Freitag dann ganz entspannt in die Regionalbahn gesetzt und nach Hamburg getingelt. Da der Start am Samstag um 5 Uhr angesetzt ist kommen Alternativen auch gar nicht in Frage. Gottseidank habe ich eine bequeme Couch gemietet und kann mich ganz entspannt auf den nächsten Tag freuen, noch schnell ein leckeres Abendessen gekocht, natürlich Nudeln, wie könnte es anders sein. Danach Fachsimpelei mit Carola über die Klamottenwahl. Die Wettervorhersage ist ungemütlich, Hagelschauer, Regenwolken und Sonne sollen sich abwechseln, abgesehen von Temperaturen um die 0 Grad sobald die Sonne untergegangen ist. Ich entscheide mich für kurze Hose, Beinlinge, Knielinge und ein langes Trikot. Regensocken sowieso, nasse Füße hasse ich aufs äußerste. Die Hose ist am Ende etwas dünn und ich friere, der Rest passt wunderbar. Auch meine High-Vis Regenhose ist am Start, oftmals als Bauarbeiterhose verunglimpft. Immerhin haben die Mitstreiter so etwas zu lachen, dafür opfere ich mich doch gern.

Pünktlich um 3.50 Uhr am Samstag klingelt der Wecker, und komischerweise bin ich auch sofort wach obwohl die Nacht weniger als 4 Stunden hatte. Gut so, denn Kaffee zum aufwachen trinke ich eh nicht, es muss also auf natürliche Weise gehen, Adrenalin durch Aufregung. Nachdem wir unsere Sachen angezogen haben geht’s auch schon los, 8 km bis zum Start an der Jugendherberge. Ich folge nur dem Rücklicht von Carola, schön einen Guide zu haben welche sich auskennt, all inclusive sozusagen. Wir kommen kurz vor 5 an, holen unsere Startkarten ab und stellen fest dass wir in Startgruppe 4.55 sind. Das wird jetzt eng, ich beeile mich mit dem Toilettengang und bin pünktlich zum zweiten Satz der Ansprache von Claus draußen auf dem Rad. Langsam rollen wir los, aus Hamburg kommt man deutlich schneller hinaus als aus Berlin, das gefällt mir gut. Allerdings wollen die anderen Fahrer unserer Gruppe nicht so richtig fahren, wir rollen mit 20 kmh dahin und entscheiden uns dann einfach erstmal unser Tempo zu fahren, und sind so die ersten Kilometer schon ohne Gruppe, komisches Gefühl. Nach einer halben Stunde sehen wir die erste schwarze Wolke, und bevor wir die Regensachen raussuchen können sind wir pitschnass und kalt.
Jetzt kann man eh bloß noch treten und sich etwas warm halten, immerhin kommt nach der Wolke die Sonne heraus und wärmt uns auf, ein tolles Lichtspektakel. Auf einmal kommt eine Gruppe von 7 Fahrern vorbeigeschossen, wir hängen uns eine Weile dran, auf dem Damm läuft es gut. Allerdings fahren sie extrem unrhythmisch, es wird angezogen auf 35 kmh, Sekunden später rollen gelassen und wieder von vorn, so entscheiden wir uns abreißen zu lassen, hinter uns kommen ja noch 80 andere Radfahrer. Die nächste Gruppe passt besser, harmonische Zweierreihe, wir lassen uns mittreiben und genießen ein bisschen dass es so schön läuft. Nun kommen wir langsam in die Hügel um Lüneburg, die mir ganz gut liegen, und das Tempo ist hoch. Ich fahre wieder im Wind, und stelle nach einer halben Stunde als ich mich umsehe fest: Carola ist weg. So lasse ich die Gruppe ziehen und rolle ganz langsam weiter, um mich im nächsten Dorf in die Sonne zu setzen und zu warten. Klar werden Brevets alleine gefahren, wenn man allerdings abgesprochen hat zusammen zu fahren und es sowieso hauptsächlich um die Gesellschaft geht ist das eine andere Geschichte. Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ichs mal wieder nicht so mit der Rücksichtnahme hatte und weiß wie es ist wenn man stehen gelassen wird. Carola kommt einige Minuten später alleine angerollt und wirft mir im Vorbeifahren einen vernichtenden Blick zu. Oh weiha, was habe ich da bloß angestellt. Ich beeile mich aufs Rad zu kommen und versuche Schadensbegrenzung zu betreiben. Sie hatte sich an einer Baustelle verfahren und ohne Gruppe natürlich recht wenig Spaß. Von hinten kommen noch drei Radfahrer, und wir fahren gemäßigt bis zur ersten Tankstelle auf dem Weg, 100 Kilometer sind schon rum, ich liebe Frühstarts. Ich kaufe beim Aldi zwei Pizzaecken und einen Hotdog, die anderen trinken Kaffee in der Tankstelle, die Sonne scheint und alle haben gute Laune. Auch Carola lächelt wieder, das ist mir in dem Moment am wichtigsten. Nachdem alle satt sind geht es weiter, immer Richtung Süden, die erste offizielle Kontrolle ist bei Kilometer 144 Hankenbüttel, ein kleines Cafe am Waldbad. Viele Randonneure essen hier die angepriesenen Nudeln, und machen Pause. Ich bestelle nichts sondern nehme ein Gel, das sollte zusammen mit dem Hotdog vom Aldi bis zur Kontrolle bei Kilometer 213 reichen. Carola bietet mir ein Stück vom Zitronenkuchen an, und obwohl ich ja sage bekomme ich keins. Rache ist süß, verdient hab ich es ja auch irgendwie. Lars kommt kurz bevor wir los wollen angerollt, sein Navi ist ausgefallen und er fährt im Blindflug. So sind wir jetzt ein kleines Dreierteam bis Neu-Darchau, und es läuft gut. Die Sonne scheint den Großteil der Zeit, nur der ebenfalls starke Wind von schräg vorn nervt ein bisschen, aber wir wechseln uns ganz gut ab und haben auch ab und zu ein paar Waldstücken, in denen man geschützt fahren kann. Bei Kilometer 200 kommen wir in eine weitere schwarze Wolke, die anderen beiden wollen durchziehen bis zur Kontrolle, ich ziehe meine Regensachen an und fahre dann weiter. Ausdiskutieren wer klüger war möchte ich nicht, aber ich sitze trocken geblieben im „Kupferkessel“ und esse meine Kartoffelsuppe, während die anderen in den nassen Sachen frieren. Die Kartoffelsuppe ist zwar super lecker, liegt aber leider schwer im Magen auf den nächsten 20 km. Glücklicherweise fahren wir gemächlich bis zur Fähre in Bleckede, wo wir erneut einen Hagelschauer der übelsten Sorte abbekommen, die Arme und das Gesicht schmerzen überall wo sie getroffen werden. Die Fähre setzt uns zügig über, eine kleine Gruppe von 8 Mann ist zusammengekommen beim Warten. Wir rollen ein wenig mit, der Gegenwind ist immer noch stark und ich bin froh über jeden Kilometer den wir vorankommen. Irgendwann zerfällt alles wieder, und wir sind wieder zu viert, eigentlich wie seit dem Kupferkessel schon. Dort hatte sich uns Claus aus Bergedorf angeschlossen. Ich habe großen Hunger und freue mich auf den Bäcker in Zarrentin, und ziehe die anderen bis dorthin. Die Aussicht auf Essen setzt manchmal unerwartete Kräfte frei.

Aufgewärmt und vollgefressen rollen wir weiter nach Ratzeburg, wo wir nur schnell einen Stempel abholen, und weiterfahren. Pausen haben wir heute schon viele gemacht, da müssen wir jetzt mal fahren. Die Kontrollen sind jetzt fast alle 20 Kilometer, die Landschaft ist wunderschön, es geht die mecklenburgischen Hügel hoch und runter, während der Raps farbenfroh blüht. Kurz vor Mölln bekommen wir die letzte Regenwolke für diesen Tag ab, sehen aber auch einen wunderschönen Regenbogen. Solche Kleinigkeiten vermögen es häufig mich nochmal aufzubauen, ich freue mich an unserer guten Zeit und der entspannten Fahrweise. In Mölln hat der Tankstellenwart gerade die Essensauslage ausgeräumt, Hygienevorschriften und so weiter. Allerdings ist alles noch da, und er überlässt uns die Plastiktüte kostenlos, verkaufen darf er es nicht mehr. So essen wir nochmal mehr als wir eigentlich sollten, Schinken-Käse Croissants, Laugenstangen, und viele andere Leckereien. Ehe wir weiterkommen ist die Sonne gerade am Horizont verschwunden, das Licht wird angeschaltet und auf kleinen Nebenstraßen geht es Richtung Hamburg.

Die letzte Kontrolle macht diesmal ein Randonneur der sich leider die Hüfte gebrochen hat und somit nicht selbst mitfahren kann. Er und seine Frau haben einen Pavillon im Garten aufgebaut, mit Heizstrahler, Stühlen, Erdnüssen und Schokoriegeln. Zudem werden Tee und Hühnersuppe ausgeschenkt, tolle Stimmung, danke dafür! Bis 6 Uhr morgens sind sie gefordert, Höchstleistung auch ohne Rad. Von dieser Kontrolle sind es noch knapp 40 km auf den Elbdeichen entlang bis ins Ziel. Meiner Meinung nach eine recht langweilige Strecke, allerdings genau richtig um es noch einmal laufen zu lassen, die 3 steht dauerhaft auf dem Tacho vorn. Links und Rechts sind wunderschöne Vogelstimmen zu hören, Claus klärt mich auf dass es sich hierbei um Nachtigallen handelt, die habe ich noch nie gehört oder wahrgenommen, total schön.

Ebenso wie aus Hamburg hinaus ist die Einfahrt sehr gemäßigt und schnell rum, kein Stadtverkehr, kein Stress. Gegen halb eins sind wir im Ziel, nicht das schnellste aber sicher eines der entspannteren Brevets die ich bisher gefahren bin. Wir rollen noch 8 Kilometer aus, Lars begleitet uns eine Weile weil er in dieselbe Richtung muss, ich freue mich einfach den beiden Hamburgern folgen zu können und ein bisschen meinen Gedanken nachzuhängen. Die warme Dusche tut gut und ich bin glücklich dass wir es gemeinsam geschafft haben.

Was bleibt im Gedächtnis? Ich bin froh auch noch in Hamburg gestartet zu sein, vor allem weil ich ja nicht oft in Gesellschaft fahre (dieses Jahr ist bisher in dieser Hinsicht erfreulich verlaufen) und weil es mal wieder neue Strecken und auch neue Gesichter waren. Das Wetter war im Nachhinein gar nicht so schlimm, viel mehr Sonne als Regen, nur die Kälte am Ende war unangenehm. Claus schreibt in seiner Nachbetrachtung, dass es sein 35. Gefinishter 400er Brevet in Folge in Hamburg war. Bei solchen Zahlen kann ich nur Staunen, dass kann wohl kaum jemand von sich behaupten, und man fühlt sich sofort wieder richtig klein und unerfahren, aber auch unendlich motiviert.

Sonntag wird lange ausgeschlafen, sofort einschlafen nach einem solchen Tag ist nämlich gar nicht so einfach für mich. Irgendwann nach dem Frühstück muss ich dann aber tatsächlich mit dem Zug zurück, wenn doch nicht immer diese doofen Anfahrtswege wären …Egal, um 19 Uhr bin ich wieder zuhause und kann mich etwas entspannen. Ein tolles Wochenende geht zu Ende, es bleibt mir sicher noch lange in Erinnerung. Allerdings geht es ja auch nächste Woche schon weiter in Sachsen.